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A N G E D A C H T

In diesem Sommer konnten wir die Kraft der Sonne wieder spüren. Viele Menschen hatten ihre Mühe mit der großen Wärme: während der Arbeit, auf der Straße, in der Wohnung. Von Anbeginn der Zeit steht die Sonne am Himmel. Sie begleitet die Menschen und die Menschheitsgeschichte. Eine weitere Begleiterin der Menschheitsgeschichte ist die Bibel. Seit Tausenden von Jahren steht folgendes Psalmlied im Alten Testament:

Halleluja! Lobet im Himmel den Herrn, lobet ihn in der Höhe!
Lobet ihn, alle seine Engel, lobet ihn, all sein Heer!
Lobet ihn, Sonne und Mond, lobet ihn, alle leuchtenden Sterne!
Die sollen loben den Namen des Herrn;
denn er gebot, da wurden sie geschaffen - Psalm 148, 13.5

Der Blick auf Sonne, Mond und Sterne gehört mit zur Kulturgeschichte der Menschheit. Ohne Sonnenlicht hätte sich das Leben nicht entwickeln können; ohne Sterne hätte es keine erste Orientierung zu Lande und zu Wasser gegeben; ohne den Mond am Himmel gäbe es keine romantischen Abendstunden.

Himmelsscheibe von Nebra CC BY-SA 3.0

Als vor 25 Jahren die Himmelsscheibe von Nebra entdeckt wurde, war das eine Sensation. Zufällig stießen zwei Männer im Wald auf diese Scheibe, die sie zunächst für einen alten Eimerdeckel hielten. Doch der Fund entpuppte sich als eine mit Goldauflagen versehene Scheibe aus der Bronzezeit, mehr als 3.600 Jahre alt. Entstanden ist die ungefähr 32 cm große Scheibe in Mitteleuropa und ist die älteste konkrete Darstellung des Himmels. Was auf der Scheibe dargestellt ist, kann jeder auf den ersten Blick sagen: Sonne, Mond und Sterne, ein freundliches Himmelsbild. Doch die Forscher haben in den vergangenen Jahren viele interessante Einzelheiten zur Erklärung der Scheibe gefunden. Interessant ist vor allem, dass die Scheibe mehrfach bearbeitet wurde.

Ursprünglich waren auf ihr nur die Sterne, der große Kreis und die Mondsichel zu sehen. Während die meisten Sterne gleichmäßig über die Scheibe verteilt sind, stehen sieben auffällig eng zusammen: Alles spricht dafür, dass es sich um das Siebengestirn im Sternbild Stier handelt. In alter Zeit waren es wichtige Termine im bäuerlichen Jahre, wenn im Frühling und Herbst das Siebengestirn in der Nähe von Mondsichel und Vollmond zu sehen war. Später wurden am linken und rechten Rand goldene Bögen hinzugefügt, der linke ist verloren gegangen. Diese Bögen konnten in Zusammenhang mit der Sommer und Wintersonnenwende dazu dienen, die Scheibe als Kalender zu benutzen. Noch später wurde dann der goldene Bogen im unteren Bereich der Scheibe eingefügt. Wahrscheinlich soll ein Schiff dargestellt werden, das die Sonne von Horizont zu Horizont trägt. Der große Kreis wurde nun wohl als Sonne verstanden, und die Scheibe bekam kultische Bedeutung.

Vom Leben der Menschen vor 3.600 Jahren wissen wir sehr wenig. Doch die Scheibe von Nebra kann dazu helfen, dass wir einiges erahnen können. Wie wir heute konnten die Menschen Nacht für Nacht den Sternenhimmel sehen. Und wie wir den bestirnten Himmel mit Bewunderung und Ehrfurcht betrachten können, so entdeckten die Menschen damals die Ordnung der Welt im Himmel. Sonne, Mond und Sterne waren wichtig zur Einteilung der Zeit, für Saat und Ernte. Doch sie hatten nicht nur praktischen Nutzen, anscheinend sah man in den Gestirnen des Himmels auch Mächte am Werk, die man kultisch verehrte. Auch heute gibt es viele Menschen, die ihr Leben in Abhängigkeit von den Kräften des Kosmos sehen. Mondkalender und Horoskope sollen vielen Orientierung im Leben geben. Doch in unserer jüdisch-christlichen Tradition haben wir eine andere Sicht vom Himmel. Danach haben die Gestirne selbst keine Macht, sie sind nur wie von Gott an den Himmel gehängte Lampen. Sonne, Mond und Sterne verdienen keine kultische Verehrung, sie sind selbst Teil der Schöpfung Gottes. Uns weist der Blick in den Himmel auf den, der noch größer ist als alle Himmel: auf Gott selbst.

Die Menschen, die vor Jahrtausenden die Himmelsscheibe in der Hand hielten, wussten ihr Leben in einer himmlischen Ordnung gehalten. Uns kann das Bild erinnern: So wie Himmel und Erde sind auch mein und dein Leben gehalten in Gottes Liebe. Gott, der in Jesus Mensch geworden ist, gibt uns die Orientierung, die wir brauchen; er ist uns nahe in seiner Liebe.

Seien Sie herzlich gegrüßt
Ihre Pfarrerin Dorothee Schmitt

Stand: Gemeindebrief September/Oktober 2024