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Sommeranfang am 21. Juni der längste Tag des Jahres. Ich freu mich: auf lange Abende, auf Baden und Urlaub, auf Kirschen und – auf Weihnachten!

Ja, diese herrlichen Tage mit den kurzen Nächten sind ein guter Anlass, um auch jetzt schon mal wieder an die Heilige Nacht zu denken. Erstens, weil Weihnachten genau in einem halben Jahr gefeiert wird, wenn die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind. Und zweitens wegen Johannes. Johannes der Täufer. Der Mann, der Jesus angekündigt hat. In ein paar Tagen ist sein Geburtstag. Johannes, so erzählt es die Bibel, war etwas älter als Jesus. Es war seine Aufgabe, auf Jesus hinzuweisen. Gott kommt, hat er gesagt, dann wird sich etwas verändern. Schon wie Johannes selbst zur Welt gekommen ist, zeigt mir, wie das ist, wenn Gott kommt. Da wächst und reift nämlich auf einmal etwas heran, womit kein Mensch gerechnet hätte.

Die Bibel erzählt das so:

Für Elisabeth, seine Mutter, ist es ein ganz besonderes Wunder, dass sie und ihr Mann noch ein Kind bekommen. Sie sind doch eigentlich schon viel zu alt, um Eltern zu werden. Und eigentlich haben sie sich auch schon damit abgefunden. Aber dann wird die ältere Frau doch noch schwanger. Und als der kleine Junge gesund zur Welt kommt, staunen die Leute und freuen sich:

So etwas, haben sie gedacht, da muss doch wohl Gott am Werk sein!

Ich staune da auch manchmal. Fruchtbares Alter. Junges Leben in einem alten Haushalt. Wenn da nicht Gott am Werk ist. Natürlich wachsen die Bäume irgendwann nicht mehr in den Himmel. Aber „Es ist alten Weibern nicht verboten, auf Bäume zu klettern.“ Hat Astrid Lindgren gesagt. Und ich merke an mir: Ich habe keine Lust, in meinen letzten Berufsjahren still auf den Ruhestand zu warten, ich möchte da schon noch etwas gestalten, mich zumindest nützlich machen. In der CoronaZeit habe ich tatsächlich noch auf dem Handy das Erstellen des Status für mich entdeckt und finde das prima.

Sommerzeit, auch wenn‘s schon Richtung Herbst des Lebens geht, so kommt mir das vor. Auch die zweite Lebenshälfte kann eine ganz fruchtbare, lebendige, dynamische Zeit sein, wo es vorangeht und wo ich etwas voranbringen kann. Anders als vor 30 Jahren, klar, ich muss mich gar nicht mit den Dreißigjährigen von heute vergleichen. Ich muss auch gar nicht versuchen, mit ihnen mitzuhalten und so zu sein wie sie. Ich möchte einfach darauf vertrauen, dass Gott bei mir etwas wachsen und reifen lässt, was mir und anderen gut tut.

Daran erinnert mich Johannes, dieser Heilige des Hochsommers. In seinem kratzigen Kamelhaarumhang hat Johannes in der Wüste gelebt, hat sich von Heuschrecken ernährt und hat den Leuten die Leviten gelesen. Denkt dran, Leute!

Rechnet ihr damit, wenn ihr eure Pläne schmiedet und eure Termine macht? Was wollt ihr? Dass möglichst schnell alles wieder so wird wie früher, wie vor der Krise? Fragen, die drängender sind als je und die auch mich zur Zeit beschäftigen.

Johannes erinnert mich daran, dass es durchaus gnädig sein kann, wenn man sieht und hört: So geht’s nicht weiter! Ich habe sogar den Eindruck, dass viele Menschen auf diese Veränderungen warten: Auch ich habe das ja in den letzten Wochen gesehen: Es geht auf einmal ganz viel, wenn es nicht anders geht. Man muss nicht unbedingt fliegen, im Thüringer Wald ist es auch schön. Man muss nicht zu jedem Meeting durch halb Deutschland fahren. Vieles geht auch online – oder ist gar nicht nötig. Ich glaube, wer kritisch in sich selbst hineinfragt, was er anders machen kann, der trägt wie Johannes auch dazu bei, dass Gott seinen Weg in diese Welt findet.

Johannes erinnert mich daran, dass gerade in Krisenzeiten das Leben nochmal eine ganz neue Tiefe und Intensität bekommen kann. Mit der Zeit ist der heißblütige Prediger dann sogar richtig gelassen geworden. „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ So hat er schließlich für sich erkannt und auf Jesus gezeigt. Etwas wehmütig, aber gleichzeitig auch sehr zuversichtlich klingt diese Erkenntnis für mich. Es läuft doch alles auf ein gutes Ziel zu. Christus wird geboren, Gott kommt, er kommt zu mir. Wenn wir anfangen, uns zu ändern.

Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Sommer. Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrerinnen Claudia Drese, Renate Lisock und Dorothee Schmitt

Wenn es schlimm kommt im Leben, dann fragen viele: Wo ist Gott? Warum kümmert er sich nicht um mich? Wenn man mit ansehen muss, wie Menschen leiden, dann fragt man sich: Wie kann Gott das zulassen? Oder auch: Was ist das für ein Gott, der das zulässt!?

Solche Zweifel überfallen auch die, die sonst eigentlich fest auf Gott vertraut haben. Selbst Jesus, als er gekreuzigt wurde und an der Hinrichtungsstätte qualvoll auf den Tod warten musste, sogar Jesus hat gerufen: "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"

Das konnte und wollte keiner mitansehen damals. Seine Anhänger und Freunde waren davon gelaufen. Ich kann ihm ja doch nicht helfen, haben sie vielleicht gedacht. Das Elend anderer auszuhalten ist schwer. Nur seine Mutter war am Ende noch da, erzählt die Bibel, eine gute Freundin und ein Freund. Drei Menschen, die ihn nicht allein lassen wollten. Immerhin.

Manche müssen ganz allein mit ihrem Kummer fertig werden. Manche müssen ganz allein sterben. Und das ist schlimm. Aber warum muss man so eine schreckliche Geschichte erzählen? Auch noch nach fast 2000 Jahren? Und warum muss man dieses schreckliche Kreuz aufhängen? Meine Antwort: man muss sie erzählen, weil viele so sterben. Und weil man an diesem EINEN sehen kann: Sogar wer so sterben muss, ist nicht von Gott verlassen. Auch wenn es zunächst so aussieht.

Als Jesus tot war, hat der wachhabende Offizier gesagt: "Dieser Mann war wirklich Gottes Sohn!" In der Sprache der Bibel heißt das: In ihm ist Gott selbst zur Welt gekommen, gefoltert worden und hingerichtet. Gott selbst hält das aus. Damit die Menschen sehen können. Auch den Traurigen ist er nah.

Seitdem glauben wir Christen: Gott ist bereit, auch das Negative auszuhalten. Gott ist nicht nur bei den Erfolgreichen und Glücklichen, nicht nur die schönen Tage und gutes Wetter sind seine Zeit. Gott hält aus bei denen, die leiden, die Kummer haben. Er bleibt bei denen, die versagt haben. Auch wenn es nicht so aussieht. Auch wenn man es nicht spürt und nicht glauben kann: Gott lässt die Leidenden und die Weinenden nicht im Stich. Er hält mit ihnen aus. So wie er am Kreuz ausgehalten hat.

Ich weiß, wie gut es tut, wenn man in schlimmen Situationen nicht allein sein muss. Auch wenn der andere nichts tun kann. Wenn wer bloß da ist, vielleicht meine Hand hält. Das ist schon viel.

Nicht nur in der Passionszeit, sondern darüber hinaus wünsche ich Ihnen, uns, dass wir spüren: Gott ist bei mir. Ganz nah!

Aus den Pfarrhäusern Plötzkau und Sandersleben

grüßen wir Sie herzlich

Ihre Pfarrerinnen

Dorothee Schmitt und Renate Lisock

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

Nicht gerade revolutionär, diese Maxime des großen Revolutionärs Lenin. Aber dafür leicht nachzuvollziehen. Wer sich einmal auf die vielversprechenden Worte eines charmanten Vertreters verlassen und dabei vergessen hat, das Kleingedruckte des Kaufvertrags genau zu prüfen, wird Lenin ohne Wenn und Aber recht geben. Und wer einmal von einem Menschen, dem er im Vertrauen Informationen weitergegeben hatte, hintergangen und enttäuscht wurde, wird in Zukunft vorsichtiger sein und so lange Distanz wahren, bis er sich der Loyalität des anderen sicher sein kann.

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

Lenins Faustregel lässt sich auf alle Bereiche unseres Lebens anwenden: Ob bei der Wahlpropaganda von Politikern und Parteien, ob bei verlockenden Versprechungen der Werbung ­ immer lohnt sich ein Blick hinter die schöne Fassade, eine Stichprobe, ein Test, ob die Worte der Realität standhalten. Besonders notwendig wird eine gründliche Prüfung, wenn wir eine Antwort brauchen auf die wichtigsten Fragen: Wo finde ich Kraft zum Leben? Was lässt mich auch Durststrecken und dunkle Etappen überstehen? Oder wenn wir uns entscheiden müssen, wie wir unser Leben gestalten wollen, an welchen werten und Zielen wir uns ausrichten möchten. 

Bei den Antworten, die uns hier angeboten werden, können wir uns eine Qualitätskontrolle nicht ersparen. Der Apostel Thomas ist der Prototyp eines Menschen, der sich bis zum Grund seines Lebens durchfragt, der nicht blind den Worten seiner Freunde vertraut, der sich seine Glaubensentscheidung nicht leicht macht. Er will selbst dem auferstandenen Jesus begegnen. Er will selbst spüren, dass die Worte, Taten und Ideen Jesu auch nach seinem Tod lebendige Wirklichkeit sind. Und er macht eine umwerfende Erfahrung: Es kommt der Punkt, wo alles Prüfen und Kontrollieren ein Ende hat, wo alles Fragen einmündet in Vertrauen und Glauben. Es kommt die Zeit für das aus Überzeugung gesprochene Bekenntnis: "Mein Herr und mein Gott!" Das könnte unser Leben verändern, das wäre wirklich revolutionär, wenn wir mit Thomas immer wieder den Punkt erreichen könnten, an dem Lenins Satz auf dem Kopf steht:

"Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser."

Tauschen von Frühstücksbroten in der Pause früher in der Schule gab es bei uns nicht, vielleicht auch, weil ich fast immer ein Brot, bestrichen mit Speckfett, bekam. Als ich einmal im neuen Jahr - nachdem ich in einem Päckchen von meinem Patenonkel Mandarinen geschenkt bekommen hatte, eine Mandarine in die Schule mitnehmen wollte, bat mich meine Mutter: „Dorothee, Du hast nicht genug Mandarinen für alle und wenn Du allein isst, dann blutet den anderen das Herz, sei barmherzig.“

Mit ist die Geschichte aus meiner Schulzeit wieder eingefallen, als ich letztens mit einem Bekannten über Barmherzigkeit diskutiert habe. „Ihr Christen mit euer Barmherzigkeit“, hatte mein Gegenüber gesagt, „das ist doch aus Zeiten, als es Herren und Knechte gab. Irgendwie von oben herab. Ich brauche keine Barmherzigkeit.“

Erstmal war ich verblüfft. Für mich ist bis heute Barmherzigkeit ein Grundwert meines Glaubens. Barmherzigkeit ist für mich das Gegenteil von Gleichgültigkeit und Egoismus. Barmherzigkeit im biblischen Sinn bedeutet keine Überheblichkeit oder Gefühlsduseligkeit. Wer barmherzig ist, handelt. Er öffnet sein Herz, wenn einer erzählt, dass es ihm schlecht geht. Er bemüht sich, großmütig zu sein, wo sonst die Geduld an ihre Grenzen kommt. Und er packt an, wo es gilt.

Anpacken, Dasein, wo es gilt, davon erzählt Jesus immer wieder eindrücklich:

Seid barmherzig, wie Euer Vater barmherzig ist.
Lk 6,36

- hat Jesus gesagt. Und „selig sind die Barmherzigen!“.

Während ich diese Gedanken niederschriebe sind wir in der zweiten Pandemiewelle und hoffen, dass bis zum 10. Januar sich die Ansteckungen verringern, nicht mehr so viele Menschen krank werden oder sogar sterben.

Auch in den vergangenen Wochen haben viele Menschen sich trotz körperlichen Abstands umeinander gesorgt und gekümmert. Das macht mir Mut und lässt mich bei allem, was unsicher ist, zuversichtlich in das neue Jahr gehen.

„Werdet barmherzig einander gegenüber, wie euer himmlischer Vater barmherzig ist“, fordert Jesus die Menschen auf. „Lasst einander spüren, dass ihr einander nicht gleichgültig seid.“, So übersetze ich das im Moment für mich, denn ich glaube, dass Gott barmherzig ist. Einer, der sich anrühren lässt von der Not der Menschen, dem wir eben nicht gleichgültig sind.

Und ich glaube auch, dass damit ein Auftrag an mich verbunden ist: dass ich selbst barmherzig sein möge anderen gegenüber.

Für das neue Jahr wünschen wir Ihnen
Gottes reichen Segen

Ihre Pfarrerinnen
Dorothee Schmitt und Renate Lisock

Süßer die Glocken nie klingen / als zu der Weihnachtszeit

Warum eigentlich? Warum klingen uns die Glocken so süß in der Weihnachtszeit? Wenn ich an Weihnachten denke, dann sehe ich auch Bilder vom Weihnachtsgottesdienst vor meinem inneren Auge. Der dunkle Kirchraum, erhellt von strahlenden Kerzen am Tannenbaum. Die geschmückte Kirche, das Krippenspiel. Die frohe, gespannte Erwartung, die in der Luft liegt. Und ich denke an den Weg zur Kirche. Dunkel liegen die Straßen. Vielleicht liegt wieder einmal Schnee am Heiligabend, der unter meinen Sohlen knirscht. Und dann, noch ehe ich die Kirche sehen kann, höre ich die Glocken. Aus der Ferne klingen sie fein durch die klare Luft, dann voll und rund beim Näherkommen. Ein wunderbarer Klang, der mich an ferne Kindertage erinnert, der Geborgenheit ausstrahlt. 

Süßer die Glocken nie klingen /
als zu der Weihnachtszeit,
grad als ob Engelein singen /
wieder von Friede und Freud.

Pfarrer Friedrich Wilhelm Kritzinger

Der Glockenklang: wie ein Engelsgesang. So hat der Pfarrer Friedrich Wilhelm Kritzinger es in seinem bekannten Weihnachtslied ausgedrückt. Und vielleicht ist es das, warum die Glocken so süß klingen zu Weihnachten. Denn die Glocken erinnern mich nicht nur an frühere Feste, sondern sie nehmen mich gleichsam mit hinein in die Weihnachtsgeschichte. 

Wie einst die Hirten zum Stall, so komme ich am Heiligen Abend dazu. Lausche dem Glockenklang wie die Hirten damals dem Engelsgesang. "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seines Wohlgefallens." Und wenn ich die Kirchentür durchschreite, dann ist es plötzlich, als ob ich wie die Hirten den Stall betrete. Wie sie bin ich ergriffen in Andacht und Freude, die mich ausfüllt. 

"Süßer die Glocken nie klingen" - die Freude über die Wohlklang der Glocken empfinde ich zu allen Gottesdiensten; selbst zu traurigen und frohen Anlässen rufen die Glocken zum Gebet, zum Hören auf das Wort Gottes.  

"Süßer die Glocken nie klingen" - ja, mitten in unserem Alltag verkünden sie ihre Botschaft: Hört her, die Welt ist nicht verloren, Christus ist geboren. So ist jedes Glockenläuten ein Engelsgesang. Jedes Glockenläuten: eine Erinnerung daran, dass Gott selber Mensch geworden ist. Dass der Friede unsere Hoffnung bleibt, mag es auch noch so dunkel um uns scheinen. Nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern an allen Tagen unseres Lebens. 

Aus den Pfarrhäusern Plötzkau und Sandersleben
grüßen wir Sie herzlich 

Ihre Pfarrerinnen 
Dorothee Schmitt und Renate Lisock

Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Gemeinden!

Herbst – mit all der Pracht, den bunten Blättern, Nebel und Wind und… den Herbstthemen: Erntedank, Tag der deutschen Einheit, Reformationsgedenken, Martinstag. Ich mag den Herbst. Das Obst ist reif, wird geerntet, die Kartoffeln werden ausgegraben und kommen in den Keller. Und es riecht ganz anders als in den letzten Wochen. Es riecht eben nicht mehr nach Sommer und Sonnenschein, sondern nach Regen, Erde und Zwiebelkuchen.

Ich mag den Herbst. Auch wenn ich nun die luftig leichten Sommerkleider hinten in den Schrank legen und die warmen Pullis hervorholen muss. Das gehört für mich einfach dazu.

Manchmal jammere und schimpfe ich über die Kälte am Morgen und darüber, dass ich schon wieder in den Regen geraten bin. Aber das hilft ja nichts. Ich kann's sowieso nicht ändern.
Und das ist ganz gut so, finde ich.

Denn es gibt so viel in meinem Leben, um das ich mich kümmern muss: um die Arbeit, da müssen Veranstaltungen und Treffen vor- und nachbereitet werden, um Arzttermine, um die Wäsche und den Einkauf und so vieles mehr. Aber um den Herbst muss ich mich nicht kümmern. Er kommt einfach so. Weil es so vorgesehen ist. Weil Gott selbst sich darum kümmert. Ich darf es einfach so hinnehmen, ich kann mich darüber freuen. Damit ich nicht nass werde, kann ich einen Schirm mitnehmen. Wenn mir kalt wird, kann ich mich warm anziehen. Das Wetter kann und muss ich nicht ändern.

Gott sagt: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Gen 8,22


Ändern kann ich es nicht. Also brauch ich nicht zu schimpfen und zu jammern. Ich kann es einfach genießen und mir den Herbst so schön und bunt machen wie ich nur kann. Dann trinke ich einen warmen Tee und genieße das Feuer im Herd. Ich kann ganz gelassen sein. Es liegt mal nicht an mir, ob es so kommt oder nicht. In meinem Alltag muss ich mich um so vieles kümmern, jetzt darf ich mich einfach darauf einlassen. Gott schenkt mir den Herbst mit allem was dazu gehört. Und ich nehme das Geschenk an, schlupfe in meine Jacke und gehe hinaus in die Abenddämmerung.

Einen guten Herbst wünschen Ihnen Ihre Pfarrerinnen
Dorothee Schmitt und Renate Lisock

 


Stand: Gemeindebrief September/Oktober 2020

„Ich lasse mir meine Freiheit nicht nehmen. Ich will tun und lassen, was ich will.“ Seitdem der erste Schrecken der Corona-Pandemie vorbei ist, hört man das oft. Jetzt gab und gibt es Demonstrationen gegen Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen. Und inzwischen sind immer mehr Menschen ohne Maske unterwegs. Ich sehe nicht ein, warum das nötig ist, sagen sie. Ich will tun und lassen, was ich will.

Vor 500 Jahren hat Martin Luther etwas Ähnliches geschrieben. Im Sommer 1520 kam seine Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ unter die Leute. Bis heute ist das eine der Hauptschriften der Reformation. Was Luther da geschrieben hat, verbreitete sich wie ein Lauffeuer: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan“. Luther hat damals von der Freiheit im Glauben geredet. Wer auf Gott vertraut, der muss sich keinem Menschen unterwerfen. Gott hält sein Schicksal in der Hand und kein Mensch kann daran etwas ändern. Luther hatte das in der Bibel gelesen: „Nichts auf der Welt kann uns von Gottes Liebe trennen“ (Röm. 8, 38f.). Dieser Glaube hat ihn stark und frei gemacht sogar gegen den Kaiser und den Papst aufzustehen und zu sagen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Im Kirchenfenster von Sandersleben ist genau dies abgebildet – auf dem Reichstag zu Worms…

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge“: Für Luther hieß das aber ganz und gar nicht: Ich will tun und lassen, was ich will. Er hat in seiner Freiheitsschrift nämlich noch einen anderen Satz daneben gestellt. „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Freiheit hat nämlich mit Verantwortung zu tun und mit Nächstenliebe. Christen tun, was dem Nächsten nützt. Christen tun, was das Zusammenleben besser und das Leben der anderen leichter macht. Dazu nutzen sie ihre Freiheit. Christen sind frei. Aber wenn es für andere wichtig und gut ist, dann sind sie bereit, ihre Freiheit einzuschränken. Denn meine Freiheit endet da, wo die des anderen anfängt. Wenn es für Alte und Kranke, wenn es für das Gesundheitssystem besser ist, dann bin ich bereit, Abstand zu halten und die Hände zu waschen und eine Maske anzuziehen.

Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Gemeinden!

Bereits im März habe ich mir lange überlegt, was ich schreibe. Was ist wichtig, was hilfreich und wurde in den vergangenen Wochen nicht schon oft gesagt oder geschrieben. Ich weiß, dass es mir auch heute nicht ganz gelingen wird, aber ich versuche es trotzdem. Mir fällt da ein Beispiel ein. Schon zu allen Zeiten wurden die Kinder, wenn sie aus der Schule kommen, gefragt: "Na, was hast du denn heute gelernt?!"

Endlich können das Eltern und Großeltern auch jetzt wieder fragen, ob es den Kindern nun gefällt oder nicht. Ich richte diese Frage heute an uns alle: Was haben wir in den vergangenen zwei Monaten gelernt? Können wir darauf überhaupt eine Antwort geben?

Ich versuche nur für mich zu antworten, denn ich weiß ja nicht, was Sie auf diese Frage antworten würden.
Ich habe gelernt, dass auf einmal alles ganz anders war und leider immer noch ist.

Und ich musste feststellen, dass ich nichts, aber auch gar nichts daran ändern kann. Plötzlich waren Dinge, die vorher ganz wichtig erschienen unwichtig.

Termine und Veranstaltungen müssen abgesagt oder verschoben werden.
Ich habe neu gelernt, dass nicht alles selbstverständlich ist.

Ich denke, ich bin demütiger geworden. Demut ­ was für ein Wort?
Irgendein schlauer Mensch hat dazu gesagt: "Der Demütige nimmt die Wirklichkeit an, ohne vor ihrer Härte zurückzuschrecken." oder "Zur Demut kommt man weder durch Gehorsam, noch durch Absicht. Zur Demut kommt man durch Erkenntnis."

Verstehen Sie mich nicht falsch: Keiner von uns hat sich diese Zeit mit ihren Einschränkungen gewünscht. Ich ganz gewiss nicht. Daran werde ich jeden Tag erinnert, wenn ich sehe, wie mein Enkelkind leidet, weil es nicht in die Kinderkrippe darf.

Ich bin kein Schmusetyp, aber ich vermisse die Nähe anderer lieber Menschen jetzt sehr. Und ich hoffe, dass ich mir das Gelernte merke und nicht wieder ganz vergesse.

Mit den Konfirmanden hatten wir uns für ihren Abschlussgottesdienst das Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer ausgesucht. Ich zitiere kurz: 

"Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie uns nicht im voraus. ..."

Dietrich Bonhoeffer

Und nun doch noch ein kluger Spruch zum Schluss, in meiner Abwandlung:
Ich muss jeden Tag neu lernen, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Aber auch den Mut haben, Sachen zu ändern, die ich erträglicher machen kann. Und ich brauche Geduld und Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Aus Ohnmacht kann auch Kraft wachsen, darauf hoffe ich und das wünsche ich Ihnen für die kommende Zeit.

Eine schöne Zeit wünschen Ihnen Ihre Pfarrerinnen
Renate Lisock und Dorothee Schmitt

Ich habe Schwierigkeiten mit Äußerungen, dass in der "Corona­-Krise" eine große Chance liegt, dass nach dieser Zeit sich das Verhalten einer Gesellschaft ändern könnte, weil ich den Verdacht habe, hier soll vertröstet werden. Abgesehen davon, dass ich sehr wohl die Nöte und Ängste vieler verstehe, die sobald als möglich das "normale" Leben zurückhätten, gern wieder zur Arbeit gehen würden, um einfach den Lebensunterhalt zu verdienen.
Allerdings war ich schon beeindruckt, wie schnell sich ein ganzes Land umstellen kann: Kindergärten und Schulen wurden ganz schnell geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt und Politiker bemühen sich in kräfteraubenden Sitzungen, riesige Mengen Geld für die Wirtschaft bereit zu stellen.
In der Tagesschau (13.5.20) wurde berichtet, dass die Bundesregierung jetzt prüft, in Krisengebieten bewaffnete Drohnen einzusetzen ­ also entgegengesetzt der Forderung von Antonio Guterres, dem Generalsekretär der UNO, der zu Beginn der globalen Pandemie gebeten hat: "Ich rufe zu einem sofortigen globalen Waffenstillstand auf". Diese Botschaft ­ eine wirklich große Chance in dieser Krise ­ wurde nur kurz ausgesendet, dann in der Fülle von Zahlen und Fakten zu Corona vergessen. Dabei wäre es gerade in Afrika, wo es so viele Kriegsherde gibt, wichtig alle Mittel und Möglichkeiten gegen den Virus einzusetzen. Dabei denke ich auch an das himmelschreiende Elend der vielen Geflüchteten... So kommt mir der Aufruf und das Nachdenken von Herrn Guterres ähnlich vor wie von einem, der es auch schon probiert hat: Mit guten Worten, mit großem Vertrauen, ohne Gewalt und Berechnung ­ Jesus Christus. Er endet fürs erste am Kreuz. Und auch damals scheint es so, als sei das kaum der Rede wert. Aber was sich dann daraus entwickelt hat, verändert unsere Welt bis heute!

Dorothee Schmitt

Während ich über die Jahreslosung von 2020 (s.o.) nachdenke, fällt mein Blick auf einen Würfel, den meine Kinder gestaltet haben und der auf den ersten Blick wie einer der Schicksalswürfel aussieht, mit denen manche an Silvester gern erfahren möchten: Was bringt das neue Jahr? Wird es ein enttäuschendes oder erfolgreiches?

Manche Menschen fühlen sich regelrecht wie ein Würfel ins Leben hineingeworfen - in Bedingungen, die sie sich nicht haben aussuchen dürfen. Da gibt es doch scheinbar Mächte, die uns ohne unseren Verdienst emporheben und Glück bringen, aber uns auch ohne unser Verschulden abstürzen lassen.

Aber der Würfel, den ich vor mir liegen habe, ist kein Spielwürfel, sondern ein Gebetswürfel, wie ihn viele christliche Familien für das Tischgebet einsetzen. Dieser Würfel spricht also weniger vom Schicksal oder Zufall, sondern von Gott, von dem wir glauben, dass er hinter dem "Spiel unseres Lebens" steht.

"Gott würfelt nicht", sagte einmal der berühmte Physiker Albert Einstein und meinte damit, dass für Gott auch das Kleinste Sinn und Bedeutung hat: alles, was geschieht, kann uns zu Gott führen. Was nach irdischen Maßstäben Verlust ist, kann im Lichte Gottes betrachtet ein großer Gewinn sein - und umgekehrt.

Von dieser Zwiespältigkeit von Hoffnung auf Heilung, auf Liebe, auf Freude, auf Sicherheit - und andererseits der Angst vor der Enttäuschung spricht die Begegnung des Vaters eines kranken Sohnes mit Jesus. Auch ich kenne Menschen, die sich nicht mehr erlauben zu hoffen, damit sie nicht enttäuscht werden, die unter der Zwiespältigkeit von Vertrauen und Zweifel und dem Wunsch, stärker vertrauen zu können, leiden.

Andere haben die Erfahrung gemacht, dass mit den Vertrauen zu Gott das Leben leichter wird. Nicht, dass Schweres erspart bleibt, doch Vertrauen hilft, es besser zu ertragen.

Ich glaube; hilf meinem Unglauben!

ist als Verzweiflungsschrei ein Gebet. Eine flehende Bitte um Gottes Hilfe, dass mein Glaube und mein Vertrauen stärker sind, als der Zweifel und der äußere Anschein, der meinen Zweifel nährt. Nach menschlicher Erfahrung ist der Wunsch des Vaters nach Heilung seines Sohnes unrealistisch. Vor den Augen Jesu packt den Sohn ein Anfall, er stürzt zu Boden, hat Schaum vor dem Mund. So offensichtlich ist die Krankheit, dass Heilung nicht möglich scheint. Nach menschlicher Erfahrung ist da nichts zu machen, besonders, da die Krankheit seit Kindesbeinen da ist.

Vertrauen heißt, Gottes Möglichkeiten höher einzuschätzen als menschliche Erfahrung. Um dieses Vertrauen kann ich Gott bitten. Am Ende der Geschichte fragen die Jünger Jesus, warum sie den Jungen nicht heilen konnten, und Jesus antwortete: "Diese Art kann durch nichts ausfahren, als durch Beten." Vielleicht bezieht sich das auf den "Dämon" Zweifel, der uns arg plagen kann.

In meinen Augen ist die Jahreslosung eine Einladung zum beständigen Gebet um Glauben und Vertrauen.

Wir schauen auch im Jahr 2020 in guten und in bösen Tagen auf den, der "nicht würfelt", sondern alles, was er geschaffen hat, mit seiner Liebe umfängt und zum Guten lenken will. Wir dürfen deshalb nicht ängstlich und sorgenvoll, sondern betend in die Zukunft gehen. Dann wird auch das kommende Jahr ein "Jahr des Herrn" und ein "Jahr des Heils" für uns werden.

Gottes Segen und viel Gutes für das Jahr 2020
wünschen Ihnen

Ihre Pfarrerinnen

Renate Lisock und Dorothee Schmitt